TheSilentYears1

Musik zu Filmen - Bühnenmusiken: das Genre des Nebenher, des kaum Wahrgenommenen. Es bedarf uneitler Musiker, die sich immer wieder aufs Neue in die gesetzte Welt eines Stoffs begeben, - ihre Entdeckungen verdichten und, schönste Aufgabe, jedes Bild, jeden Ton, jede Handlung verschärfen, vergrössern, überhöhen. Denn das ist die Musik hier: die erweiterte Leinwand, der gesprengte Bildschirm, der vertiefte Bühnenraum, das Ende des Redens und der Beginn des Unsagbaren und Ungesagten.

Ich hatte das Privileg, gemeinsam mit den Ströer Brüdern diese Entdeckungen zu machen. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten wir zusammen - und alles ist so frisch und so überraschend wie am ertsen Tag. Zwei junge Männer, geprägt von Jazz und Rock, vorzügliche Instrumentalisten - und auf der Suche. Sie hatten eines ihrer Alben NOMADEN genannt. Und das waren sie (und sind sie). Nur, daß ihre Expeditionen in andere ethnologische Zusammenhänge gehen, als das Wort von den unständigen Wanderern suggeriert. Sie sind Flaneure und Ausforscher, behutsame Zerlegende und Alltagsverschieber.

Eklektizismus und Integrität, wunderbare Melodieerfindung und Hitinstinkt, Spielfreude und immer wieder rekonstruierbare Naivität (Idealismus): ein seltenes Zusammentreffen. Und eine Verbindung, die sich auch im harten Wettbewerb des Ähnlichen, aber nicht Vergleichbaren bewährt und gefestigt hat.

Arbeit mit den Ströer Bros. bedeutet: sie stellen Fragen an die Stoffe, - lassen doch teilhaben an der Durchsicht ihrer Fundstücke, - konfrontieren dich immer wieder mit neuen Angängen - lassen dich selten auf sicherem Boden: denn die Emotionalität ihrer Arbeit ist immer noch einmal ein weiterer Anstoß für die kurz gesetzte, immerfort fragile Film- und Bühnen-Welt. Erstaunlich ist jedesmal die Treffsicherheit der ersten Demos - wunderbar die Offenheit, mit der die abschließende Arbeit erfolgt.

Natürlich ist eine solche Sammlung von Arbeits-Beschreibungen unbefriedigend, denn hier scheinen nur die Ergebnisse auf. Die besondere Qualität der Ströers - ihre Lust am Prozeß, ihre große Begabung zur Kooperation und freundlichen Bestimmtheit, ihre Geschmackssicherheit -: das alles muß der Hörer als Tatsachenbehauptung hinnehmen. Dennoch glaube ich, daß diese ausgewählten Stücke vermitteln, wovon ich versuche zu berichten. Ob es eine glamouröse Hollywood-Pastiche ist (BESUCH BEI JOANJ) oder eine Sprechzerlegung mit Uwe Barschel (MACHT UND MACHENSCHAFTEN), ob Helmut Kohl mit einem eigenen Leitmotiv geadelt wird (KOHL - EIN DEUTSCHER POLITIKER) oder das Synthie-Gedudel der deutschen "Vorabendserie" ultimativ konterkariert wird (VOGEL UND OSIANDER): diese Stücke sind eine Reise.

Sie führen ebenso in die passionierten Bühnenwelten der Elke Lang wie in die Doku-Dramen von Heinrich Breloer. Sie sind, auch und vor allem, Gefährten bei den filmischen Versuchen und Entdeckungen, die wir, Hans P. und Ernst Ströer und ich gemeinsam machen konnten. Ich danke ihnen. Man wird von den Ströer Bros. hören.

Horst Königstein, München 1992